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Am 4. Dezember 2015 nahmen die Deutsche UNESCO-Kommission und die Kultusminister­konferenz das „Schützenwesen in Deutschland“ in das Bundesweite Verzeichnis des immate­riellen Kulturerbes auf. In ihrer Begründung würdigen das zuständige Expertenkomitee und die Kultusministerkonferenz das Schützenwesen

 

„als Ausdruck lokal aktiver Kulturpraxis mit lebendiger Traditionspflege, die stark in örtliche Sozial- und Kulturmilieus eingebunden ist. Es gibt vielfältige Maßnahmen zu Weitergabe, unterschiedliche Formen der Jugendarbeit und eine aktive Pflege regionaler und europäischer Verbindungen. Auch die Verpflichtung gegenüber sozialem Engagement und ziviler Kultur im Umgang mit Waffentechnik und Waffengebrauch sowie der integrative Charakter wurden hervorgehoben.“

 

Schützenwesen in Deutschland

 

Das Schützenwesen ist vielerorts ein wichtiger, historisch gewach­sener und lebendiger Teil der regionalen bzw. lokalen Identität. Es umfasst eine große Anzahl von Bräuchen und Traditionen, die in ganz Deutschland in zahlreichen unterschiedlichen Erscheinungs­formen verbreitet sind. Das Spektrum reicht von den stark christ­lich geprägten Bruderschaften im rheinischen-westfälischen Bereich über das weltliche, zum Teil streng traditionell gelebte Brauchtum im östlichen Deutschland und die eher bürgerlich-repu­blikanisch veranlagten Gepflogenheiten der Vereine in den früheren freien Reichs- und Hansestädten bis hin zu den folkloristisch-fröhli­chen Traditionen der süddeutschen Schützengesellschaften.

 

Das Schützenwesen hat im Laufe seiner Geschichte immer wie­der auf Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingun­gen reagiert und sich enorm ausdifferenziert. Das alte Brauch­tum wird heute in der Regel im Rahmen einer Vereinszugehörig­keit von Menschen jeden Alters und Geschlechts unabhängig von religiösem Bekenntnis, sexueller Orientierung, Herkunft oder auch Behinderung ausgeübt. Es gibt vielfältige Maßnahmen zur Weiter­gabe der Tradition, unterschiedliche Formen der Jugendarbeit und eine aktive Pflege regio­naler und europäischer Verbindungen.

 

Bekanntester und wesentlicher Ausdruck des Schützenwesens ist das Schützenfest, das mit vielfältigen örtlich unterschiedlichen Bräuchen einmal im Jahr gefeiert wird. Im Zentrum steht der oftmals durch das Königsvogelschießen ermittelte Schützenkönig bzw. die Schützenkönigin. Zu seinen/ihren Ehren finden Umzüge und Paraden statt, bei denen die uniformierten Schüt­zen zu Ehren des Königs bzw. der Königin auftreten. Die Schützinnen und Schützen eines Ver­eins oder einer Bruderschaft treten in einheitlicher Schützentracht auf, tragen Vereinsabzei­chen und verfügen über eine Fahne, um die sich wiederum diverse Bräuche gruppieren. In der Schützenhalle bzw. im Festzelt finden die gesellschaftlichen Feiern (Bälle, Frühschoppen, Platz­konzerte) statt. Jedes Schützenfest hat lokal hergebrachte Rituale und Bräuche und unter­schiedliche Abläufe. Auch die genutzten Utensilien unterscheiden sich lokal und regional. Über dieses singuläre Ereignis im Jahr hinaus prägen gerade in kleineren Orten die unterschiedli­chen ortsbezogenen Bräuche der Schützenvereinigungen das soziale und kulturelle Gemein­schaftsleben, sodass die Schützentradition das ganze Jahr wahrnehmbar ist und gelebt wird.

 

Die Ursprünge des Schützenwesens reichen vielerorts bis ins Mittelalter zurück. Im rhei­nisch-flandrisch-westfälischen Raum wurde zu dieser Zeit die jeweilige Stadt bzw. Gemeinde durch die Bürger selbst geschützt; der Wehr- und Verteidigungscharakter stand somit im Vordergrund. Mit der Übernahme dieser Aufgaben durch den Staat schwand diese Funktion des Schützenwesens. Dies kommt heute noch in einzelnen symbolischen Bräuchen zum Aus­druck, etwa dem Paradieren mit Holzgewehren oder der Tradition des Vogelschusses.

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